Epilog
Freud durchreiste Europa von Lübeck bis Sizilien und von Manchester bis in die Hohe Tatra; er überquerte den Atlantik, war in New York und sah die Niagarafälle. Seine Eindrücke reichen von der Gründung der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn bis zum Vorabend des Zweiten Weltkriegs. Keineswegs unpolitisch, doch Tagesereignissen distanziert gegenüberstehend, suchte Freud nach Invarianten der menschlichen Kultur. Seine Begegnungen mit Städten, Landschaften und Menschen waren in dieser Hinsicht für ihn außerordentlich wichtig.
Der Reisende Freud ist uns weniger interessant als der Psychoanalytiker Freud; doch es ist ein und dieselbe Person, die die "Traumdeutung" geschrieben Antiken e sammelt und fast zwanzig Italienreisen unternommen hat. Seine Eindrücke von Italien sind sie einmal alle zur Veröffentlichung freigegeben können ein Klassiker werden wie Goethes "Italienische Reise" . Und um wieviel wird unser Bild von Sigmund Freud bereichert werden, wenn wir sehen, wie er die Welt wahrnahm; nicht nur die Welt Wiens und seiner Menschen, sondern auch die Vergangenheit und Gegenwart fremder Länder.
Freud trauerte der "Welt von Gestern nicht nach, sondern sie war für
ihn geronnene Erfahrung, die es zu explorieren galt, und zwar an Ort und
Stelle. Es war für ihn eine unge-
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heure Einschränkung, nach seiner Krebserkrankung nicht mehr reisen
zu können. Wie sehr Freud darunter litt, zeigt der Brief an Romain
Rolland, in dem er seinen Reisedrang, die Erinnerungsstörung auf der
Akropolis und das Verhältnis zu seinem Vater analysiert. Dieser Brief
endet mit den Worten: "Und jetzt werden Sie sich nicht mehr verwundern,
daß mich die Erinnerung an das Erlebnis auf der Akropolis so oft
heimsucht, seitdem ich selbst alt, der Nachsicht bedürftig geworden
bin und nicht mehr reisen kann." (Freud 1936, S. 293)