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TRAUM - Die seit Aristoteles gängige Bestimmung des Traums (T.) als Seelenleben während des Schlafs konnte bis heute von keiner überzeugenderen Definition abgelöst werden. Wohl hat die moderne Traumforschung viele Dinge spezifiziert (z.B. Häufigkeit und Dauer des Auftretens, Abhängigkeit von Persönlichkeitscharakteristika usw.), doch dem Wesen des T. ist sie nicht näher gekommen.

Die ältesten Überlieferungen aus Sumer, Babylon, Assyrien und Ägypten weisen den T. ab Phänomen göttlichen Ursprungs mit prophetischer Funktion aus (vgl. Lenormant 1878; Siebenthal 1953; Pongracz 1963; McKenzie 1970, Tögel 1987). Im antiken Griechenland setzen sich dann allmählich wissenschaftliche Erklärungsansätze durch: Antiphon lehnt die göttliche Herkunft des T. prinzipiell ab; Heraklit weist auf die Bedeutung des Gedächtnisses für den T. hin; Demokrit erkennt seine Abhängigkeit von der Wahrnehmung und ihrer Reproduktion und Aristoteles beschäftigt sich u. a. mit Fragen der Traumerinnerung. Besonders interessant sind Platos Überlegungen zum T. Er war der Meinung (wie später auch Augustinus, Nietzsche und Freud), daß einem jeden Menschen eine gefährliche, wilde und ordnungswidrige Art von Begierden innewohne, die sich häufig in Träumen kundtun. Plato betrachtet also unsere T. als Schauplatz jener Triebe, die im Wachleben nicht zum Durchbruch kommen.

Das Mittelalter beschränkt sich weitgehend auf symbolische Traumdeutungen auf Analogieebene. Der Rationalismus der Renaissance und Aufklärung behandelt den T. eher stiefmütterlich: er ist hier und da eher beiläufig Gegenstand philosophischer Überlegungen (z. B. bei Berkeley 1707/1708 u. Kant 1790). Im 19. Jh. häufen sich dann deskriptive, aber auch theoretisch-spekulative Traktate zum Thema T. (vgl. Schubert 1840; Radestock 1878; Spitta 1892 u.a.). Daneben finden sich aber auch erste empirische Untersuchungen (z.B. Maury 1861).

 
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Den Beginn der eigentlichen ,Wissenschaft vom T.' markiert jedoch Sigmund Freuds Buch Die Traumdeutung (1900). Seine dort entwickelte Traumtheorie läßt sich folgendermaßen zusammenfassen: Den T., wie er nach dem Erwachen erinnert wird, nennt Freud manifesten Trauminhalt.. Er entsteht aus den latenten Traumgedanken (unbewußte Wünsche), die durch die Traumarbeit (Verdichtung, Verschiebung, sekundäre Bearbeitung, Symbolbildung) so verschlüsselt werden, daß für das Bewußtsein anstößige unbewußte Inhalte die Traumzensur passieren können. Folge der Traumarbeit ist der oft bizarre oder unverständliche Charakter vieler T. Kennt man jedoch die Mechanismen der Traumarbeit, so läßt sich der manifeste Trauminhalt auf die hinter ihm stehenden latenten Traumgedanken zurückführen. Diesen der Traumarbeit entgegengesetzten Prozeß nennt Freud Traumdeutung. Im Gefolge der Diskussion um Freuds Traumtheorie bilden sich allmählich zwei Forschungsrichtungen heraus: die physiologische Schlafforschung und die psychologische Traumforschung. Erstere erhält besonders wichtige Impulse durch die Entdeckung der schnellen Augenbewegungen während des Schlafs (Rapid Eye Movements - REM) durch Aserinsky und Kleitman (1953). Die Autoren stellen fest, daß es während des Nachtschlafs etwa vier bis sechs Perioden schneller Augenbewegungen von 10 bis 50 Minuten Dauer gibt. Weitere Forschungen ergeben, daß während dieser - nun REM-Phasen genannten - Perioden noch eine Reihe anderer physiologischer Aktivitäten ablaufen (phasische Pupillenreaktionen, feine Muskelzuckungen, Aktivierung der Sexualorgane usw.; vgl. Jovanovic 1976). Es deutet nun vieles darauf hin, daß diese Phasen physiologischer Aktivität (oder der Aktiven Schlaf - AS) mit den Traumphasen zusammenfallen(vgl. Dement/Kleitman1957; Dement/ Wolpert 1958; Berger/Oswald 1962). Allerdings scheint es auch außerhalb der REM-Phasen Formen geistiger Aktivität zu geben (von Foulkes NONREM-Mentation' genannt; vgl. Foulkes 1966).

Die Ergebnisse der physiologischen Schlafforschung - so interessant sie im einzelnen auch sein mögen - tragen jedoch nicht zur Klärung der für die Traumforschung entscheidenden Frage ~: Warum hat ein T. gerade diesen und keinen anderer Inhalt und welches sind die Mechanismen seiner Entstehung? Eine Reihe von Untersuchungen (vgl. Cartwright 1968; Jovanovic 1972 u. a.) haben zumindest teilweise die Freudschen Hypothesen zu dieser Frage bestätigt. Seit einigen Jahren wurde auch versucht, über sogenannte ,Klarträume' (lucid dreams) einen experimentellen Zugang zu dem Kernproblem der Traumforschung zu finden (vgl. z. B. Hearne 1981). Empirische Interpretationen der Freudschen Traumtheorie sind Versuche, seine Hypothesen mit den Ergebnissen empirischer Forschung in Einklang zu bringen. Besonders interessant in dieser Hinsicht sind die Überlegungen von Bakan (1976), Jovanovic (1976) und Foulkes (1978). Unter philosophisch-methodologischem Gesichtspunkt lassen sich Traumtheorien folgendermaßen klassifizieren: 1. tiefenpsychologische (z.B. Stekel 1911; Jung 1948; Schultz-Hencke 1949; Kemper 1955; Wiesenhütter 1966); 2. daseinsanalytische (vgl. Boss 1953; Boss 1975); 3. epiphänomenale (vgl. McCarley/Hobson 1977; Crick/ Mitchison 1983).

Trotz vieler kritischer Arbeiten zur Psychoanalyse von marxistischen Autoren ist Freuds Traumtheorie und auch die sich später entwickelnde psychologische Traumforschung fast vollständig von ihnen ignoriert worden (Ausnahme: Bloch 1954, Kap. 14). Das ist insofern bedauerlich, als Freud in seiner Arbeit zum T. den ,,Grundstein der psychoanalytischen Arbeit" sah und ihre Ergebnisse für den ,,wichtigsten Beitrag der Psychoanalyse zur Psychologie" hielt (Freud 1913, 107). Seine Traumtheorie ist damit zur fachwissenschaftlichen Prüfinstanz der Psychoanalyse erklärt. Interessant ist, daß Freuds fachwissenschaftliches Herangehen an den Doppelcharakter des Traumschlafs (psychische Komponente - Traum; physiologische Komponente - AS) das von Engels (vgl. etwa MEW 20, 499) mehrfach empfohlene Verfahren der Isolation (Abstraktion) realisiert. Freud schreibt: ,,Ich hatte wenig Anlaß, mich mit dem Problem des Schlafs zu beschäftigen, denn dies ist ein wesentlich physiologisches Problem, wenngleich in der Charakteristik des Schlafzustands die Veränderung der Funktionsbedingungen für den psychischen Apparat mitenthalten sein muß." (Freud 1900, 33; Hervorhebung, C.T.) Damit hat Freud erkannt, daß der dem Traumschlaf immanente wesentliche Widerspruch zwischen physiologischen und psychischen Komponenten auf fachwissenschaftlicher Ebene in der Herausbildung zweier Forschungsrichtungen, nämlich der physiologischen Schlafforschung und der psychologischen Traumforschung, seinen Niederschlag finden muß. Freud hat sich für die Traumforschung entschieden, ohne zu vergessen, daß er damit lediglich eine Seite des einheitlichen Prozesses ,Traumschlaf' untersucht. - Die Hauptfrage der psychologischen Traumforschung, die Fragen nach Ursache und Entstehungsmechanismen des
 
 

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spezifischen Trauminhalts, ist nach wie vor offen und den ernsthaftesten Versuch ihrer Bewertung stellt immer noch Freuds Traumtheorie dar.

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Christfried Tögel, Tübingen