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3. Reisegefährten

Freud reiste kaum allein. Seine wichtigsten Reisegefährten waren sein Bruder Alexander, seine Schwägerin Minna und Sándor Ferenczi (siehe Übersicht auf der nächsten Seite). Außerdem begleitete ihn seine Tochter Anna auf zwei Reisen (März 1913 nach Venedig und September 1923 nach Rom), den Osterurlaub 1914 verbrachte er mit Otto Rank auf der Insel Brioni und 1897 hatte er außer Alexander noch Felix Gattel als Begleiter nach Umbrien und in die Toskana mitgenommen. Und im Sommer 1920 machte er eine Rundreise durch Holland, auf der er von van Emden und von van Ophuijsen begleitet wurde. Es stimmt also nicht, wenn Balint (1970) behauptet, Ferenczi sei der einzige Schüler Freuds gewesen, den dieser auf Reisen mitnahm.

Für Freud war es außerordentlich wichtig, wer sein Reisegefährte war, und die Briefe an Fließ zeigen, wie sehr ihn in jedem Jahr die Auswahl beschäftigte. Freud begründete seine Entscheidung immer recht ausführlich. Am 16. August 1895 schrieb er z.B. an Wilhelm Fließ: "Ich reise zwischen dem 22.-24. nach Venedig mit meinem kleinen Bruder und kann also leider ... nicht gleichzeitig in Oberhof sein. Mein Motiv, mich so zu entschließen, da ich mich für eines entscheiden mußte, war die Sorge um den Jungen, der mit mir die Verantwortung für zwei alte Leute, soviel
 
 

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Frauen- und Kindervolk trägt. Er ist ein sehr gequälter Neurastheniker, entschlüpft meinem Einfluß zu sehr, und ich habe einen Vertrag mit ihm geschlossen, demzufolge er meine Gesellschaft in Venedig mit seiner Begleitung nach Berlin vergilt. Es ist mir beinahe wichtiger, daß Du ihn als daß Du mich in die Hand bekommst." (Freud 1986, S. 138). Diese Sorge um Alexander hielt recht lange an. Noch im Februar des Jahres 1900 schrieb Freud: "Mein Bruder, dessen Stellung als Fachmann immer mehr wächst und der zu allen Enqueten usw. als Vertrauensmann der Regierung zugezogen wird, merkt doch schon, daß das alles nur Ausnützung ist. Er wird nicht einmal den Titel Professor bekommen, den er sich als Vortragender an der Exportakademie verdient hat, und mit der Übernahme in den Staatsdienst wird es auch nichts. Es ist eben alles österreichisch in Österreich. Er überarbeitet sich, und Du kennst meine Zukunftssorge für ihn. Gegenwärtig ist er 34 Jahre alt." (Freud 1986, S. 439). Allerdings spielten auch noch andere Überlegungen bei der Wahl Alexanders als ersten und häufigsten Reisegefährten eine Rolle: "Diesen Sommer muß ich aber der Kinder wegen auf Ferne und Gebirge verzichten ... und möchte darum gerne zu Ostern von den Herrlichkeiten dieser Erde naschen. Alexander aber, der nächste und billigste Reisegefährte, hat nach einem Influenzkatarrh schon in diesem Monat seiner Sehnsucht nach dem Süden nachgegeben, war in Bozen, Meran und Gries, hat dort den Osterurlaub vertan und wird mich nicht begleiten "(wollen. Freud 1986, S. 442; Hervorhebung von mir, C. T.). Außerdem war Alexander, wie schon erwähnt, Fachmann auf dem Gebiet des Transport- und Tarifwesens, so daß Freud auch hinsichtlich der technischen Abwicklung seiner Reisen in ihm den besten Beistand hatte. So konnte Freud das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden,
 
 

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während ihrer gemeinsamen Reisen seinen Einfluß auf Alexander geltend machen, gleichzeitig aber auch die Vorteile ausnutzen, die die Kenntnisse seines Bruders mit sich brachten.
 

Die wichtigsten Reisegefährten Sigmund Freuds
 
Alexander Minna Martha Ferenczi
Aug. 1895 Venedig
Sept. 1896 Florenz
Aug. 1897 Venedig
Sept. 1897 Toskana
Ostern 1898 Aquileja
Aug. 1898 Schweiz/Oberitalien
Sept. 1898 Dalmatien
Sept. 1900 Südtirol Südtirol
Pfingsten 1901 Vorarlberg
Sept. 1901 Rom
Aug./Sept. 1902 Rom/Neapel
Aug. 1903 Südtirol
Aug./Sept. 1904 Athen
Ostern 1905 Südtirol
Sept. 1905 Oberitalien
Sept. 1907 Rom
Sept. 1908 Südtirol
Sept.  1910 Rom/Sizilien
Ostern 1911 Südtirol
Ostern 1912 Insel Arbe
Sept. 1912 Rom
Sept. 1913 Rom

Der nächstliegende Ersatz für den Fall, daß Alexander als Reisegefährte ausfiel, war Martha. Im September 1895
 
 

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war Freud mit seiner Frau für zwei Wochen in Lovrana in Istrien, wie es scheint aber ohne besondere Begeisterung: "Ich gehe gar nicht bereitwillig nach Lovrana, aber Martha, die sich sonst so selten etwas wünscht, beharrt diesmal auf der Reise .. " (Freud 1986, S. 90). Eigentlich war es keine Reise, sondern eher ein Urlaub in einem Standquartier. Im August 1897 fuhr Freud dann zum ersten Mal mit seiner Frau ins Ausland, Reiseziel war Venedig. Er schreibt in diesem Zusammenhang an Fließ: "Am 26./27. beginnt der Urlaub meines Bruders und somit die dreiwöchentliche Italienreise. Nun soll diesmal ohne weiteren Aufschub Martha Venedig sehen, und ursprünglich sollten die beiden Reisen kombiniert werden. Aber eine Frau fügt sich so schwer in die allgemeine Zeitrechnung; ihrer besonderen zuliebe muß ich acht Tage vorher, spätestens 21. oder 22. mit ihr allein reisen und sie vor dem 1. September zurückschicken." (Freud 1986, S. 277). Und nach einer neuerlichen Erörterung der Termine dieser Reise im nächsten Brief konstatiert Freud: "Daß diese Bestimmungen durch Marthas Unwohlsein gegen den 1. September und meines Bruders Urlaub fixiert sind und daß wir bei dem Mangel aller anderen Anhaltspunkte daran unsere Pläne knüpfen müßten, ist klar." (ebenda, S. 278). Auf der zweiten größeren Reise mit Martha im August 1898 nach Dalmatien mußte Freud sie wegen einer Magenverstimmung in Ragusa (Dubrovnik) zurücklassen, und im September des Jahres 1900 verreiste er das letzte Mal mit ihr. Über die Planung dieser Reise schreibt er: "Ich werde wahrscheinlich im August auf eine Woche nach Trafoi mit meiner Frau gehen und muß dabei jener Zeit ausweichen, in der sie nicht genußfähig ist." (ebenda, S. 461f.). Offensichtlich waren Marthas Menstruationsbeschwerden ein großes Problem für gemeinsames Reisen. Es läßt sich nicht
 
 

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beweisen, jedoch liegt die Vermutung nahe, daß sie für Martha einen guten Vorwand lieferten, ihre Reisebegleitung abzusagen. Und dank ihrer Magenverstimmung in Ragusa sparte sie sich die ermüdende Wagenfahrt in die Herzegowina. Wie dem auch sei, nach 1900 war Martha nicht mehr unter den Reisegefährten Freud.

Ihren Platz nahm Freud Schwägerin und Marthas . Schwester Minna Bernays ein. Seine erste Reise mit ihr fiel ins Jahr 1898. Auf der großen Südtirolreise im August 1900 begleitete ihn zuerst Martha und während der zweiten Hälfte Minna. Freud scheint sehr auf sie gewartet zu haben, denn er schrieb an Fließ: "Endlich ... kam die Ablösung; ich meine Minna ..." (Freud 1986, S. 465). Dieser Reise folgten noch fünf weitere gemeinsame. Außerdem verbrachte Freud mindestens vier Kuraufenthalte mit Minna. Es ist offensichtlich, daß Martha keinen besonderen Wert auf gemeinsame Sommerrundreisen mit ihrem Mann legte und dieser seinerseits Minna als Reise- und Gesprächspartnerin vorzog. Ob darüberhinaus Freud auch intimere Beziehungen zu Minna hatte, wie Jung behauptete (vgl. Billinsky 1969) und Swales zu beweisen versucht (Swales 1982) sei dahingestellt. Die gemeinsamen Reisen boten zwar genügend Gelegenheit, sind aber noch kein Indiz für eine "Affäre" zwischen Freud und seiner Schwägerin. Zwischen 1910 und 1912 war Sándor Ferenczi Freud einziger Reisegefährte. Beide Männer kannten sich seit dem Ersten Internationalen Psychoanalytischen Kongreß im Jahre 1908 in Salzburg
persönlich und es entwickelte sich eine enge freundschaftliche Beziehung zwischen ihnen, die den Charakter einer Vater-Sohn-Konstellation hatte (Jones 1984, Bd. 2, S. 106; vgl. auch Harmat 1988). Im September 1910 reisten Freud und Ferenczi gemeinsam nach Sizilien. Über diese Reise schreibt Jones, "daß
 
 

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Ferenczi bei den täglichen Plänen gehemmt, mürrisch und unzuverlässig war." (Jones ebenda, S. 106). Trotzdem nahm Freud ihn später noch auf eine Südtirolreise, zu einem Osterausflug auf die Insel Arbe und zu einem Rombesuch mit.
 
 

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